7 | Tintenfass - Mary Gerold
Audioguide zum Nachlesen
Audioguide zum Nachlesen Mary Gerold wurde 1898 in Riga geboren. Sie lernte Tucholsky 1916 während des Ersten Weltkrieges in Alt-Autz kennen. Tucholsky bemühte sich monatelang um ihre Gunst. Als er nach Rumänien versetzt wurde, setzte er sein Werben in Briefen fort. Die Entfernung tat seiner Liebe keinen Abbruch – im Gegenteil: Je weiter weg, desto größer erschien ihm die Liebe. In seinen Briefen schilderte er sie als Geliebte, Gefährtin und Mutter zugleich.
Als er sie nach dem Krieg zu sich nach Berlin holte, bemerkte Tucholsky aber schon nach wenigen Wochen, dass ihn eine „Glaswand“ von Mary Gerold zu trennen schien. Beide fanden keinen Weg zueinander. So heiratete Tucholsky 1920 seine langjährige Freundin Else Weil.
Die Trennung von Mary Gerold war aber nicht von Dauer. Wenige Wochen später liefen sich beide zufällig wieder über den Weg. Von dort an riss der Kontakt nicht mehr ab, es begann eine langwierige Affäre. Else Weil duldete die Eskapaden ihres Mannes aber nicht sehr lange, sie sagte einmal:
„Als ich über die Damen wegsteigen musste, um in mein Bett zu kommen, ließ ich mich scheiden.“
1924 wurde Mary Gerold Tucholskys zweite Ehefrau. Doch auch diese Ehe funktionierte nicht lange, Ende 1928 kam es zur Trennung. Geschieden wurde die Ehe jedoch erst 1933, weil Tucholsky um die Sicherheit Marys im nationalsozialistischen Deutschland fürchtete. Noch lange standen sie in engem Briefkontakt, auch während Tucholsky Beziehungen mit anderen Frauen einging.
Im November 1935, kurz vor seinem Tod, schrieb er ihr einen bewegenden Brief, in dem er ihr ein letztes Mal seine Liebe erklärte:
„Hat einen Goldklumpen in der Hand gehabt und sich nach Rechenpfennigen gebückt; hat nicht verstanden und hat Dummheiten gemacht, hat zwar nicht verraten, aber betrogen, und hat nicht verstanden.“
Tucholsky nahm die Schuld für die gescheiterte Beziehung auf sich und beteuerte, dass er nur ein Mal wirklich geliebt hätte. In seinem Testament setzte er Mary Gerold als Alleinerbin ein. Als Nachlassverwalterin baute sie nach 1945 in Rottach-Egern in Bayern ein Kurt Tucholsky-Archiv auf, das sie mit großer Hingabe betreute. Sie führte das verstreute Werk Tucholskys wieder zusammen. Sie gab auch private Briefe heraus, die Tucholsky an sie und andere gerichtet hatte. Ihre eigenen Briefe an Tucholsky hingegen blieben mit Ausnahme einiger Zitate unveröffentlicht.
Gesprochen von Nicole Kleine und Wiglaf Droste