21 | Abschiedsbrief an Zweig
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Audioguide zum Nachlesen Kurz vor seinem Tod änderte Kurt Tucholsky sein Testament und schrieb Abschiedsbriefe.
Einen langen Brief, sein politisches Testament, schrieb er am 15. Dezember 1935 an Arnold Zweig. Der österreichische Lyriker Erich Fried erinnerte sich später:
„Ich weiß noch, wie erschüttert ich war, als ich seinen bitteren Brief an Arnold Zweig las, eine Art Abschiedsbrief, geschrieben eine Woche vor seinem Tod.“
Ein kurzer Auszug aus dem Brief an Zweig lässt erkennen, wie aussichtslos der „aufgehörte Schriftsteller“ Tucholsky die Situation in Europa empfand:
„[…] Wer die Freiheit nicht im Blut hat, wer nicht fühlt, was das ist: Freiheit - der wird sie nie erringen. […] Man hat eine Niederlage erlitten. Man ist so verprügelt worden, wie seit langer Zeit keine Partei, die alle Trümpfe in der Hand hatte. Was ist nun zu tun -? Nun ist mit eiserner Energie Selbsteinkehr am Platze. Nun muß, auf die lächerliche Gefahr hin, daß das ausgebeutet wird, eine Selbstkritik vorgenommen werden, gegen die Schwefellauge Seifenwasser ist. Nun muß – ich auch! ich auch! – gesagt werden: Das haben wir falsch gemacht, und das und das – und hier haben wir versagt. Und nicht nur: die andern haben … sondern: wir alle haben.“
Am 21. Dezember starb Tucholsky im Alter von nur 45 Jahren nach der Einnahme von Tabletten.
Gesprochen von Nicole Kleine und Wiglaf Droste